Alexander Lebenstein ist tot

Ein jüdischer Grabstein mit Steinchen, welche sagen "ich erinnere mich an dich"

Ein jüdischer Grabstein mit Steinchen, welche sagen "ich erinnere mich an dich"

Wer war Alexander Lebenstein?

Zunächst einmal ein ganz normaler Junge in Haltern. Nach eigener Aussage mit glücklicher Kindheit. Bis zu den Progromnächten im November 1938. Zwar versteckte sich die Familie im Gartenhaus, sie wurden aber kurz darauf in einem Judenhaus zwangsuntergebracht, 1942 in ein Sammellager nach Gelsenkirchen (Wildenbruchplatz) verfrachtet, von dort aus nach Riga ins Konzentrationslager. Seine Eltern, Nathan und Lotte Lebenstein, kamen dort bald darauf ums Leben, er selbst machte eine Odyssee durch mehrere Arbeits- und Konzentrationslager durch. Kam schließlich nach Haltern zurück, wurde dort nicht willkommen geheißen, wanderte aus nach Amerika.

Seine Biografie hat er inzwischen veröffentlicht, siehe Halterner Zeitung, The Gazebo.

Nach langen, langen Jahren wird er 1994 von Halterner Schülern angeschrieben. Sie nahmen den Holocaust durch, wollten es nicht bei theoretischen Studien belassen. Für ihr Engagement zur Aufarbeitung der Geschichte – nicht nur was das jüdische Leben betraf – erhielt die Schule viel Anerkennung, auch den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Als Paten für ihre Schule wählten die Schüler Alexander Lebenstein. Er besuchte auf Ihre Einladung hin 1995 erstmals die Stadt und die Schule. Es war für beide Seiten eine glückliche Fügung, es entwickelte sich ein ganz besonderes Verhältnis wechselseitiger Unterstützung und Wachstum. Alexander Lebenstein begann über seine Erlebnisse öffentlich zu berichten und sich vehement für Toleranz und gegen Rassismus auszusprechen. Und wie er es rüberbrachte, so fröhlich, lebenslustig und wahrhaftig war es ein wunderbares Erlebnis. Auch in seiner neuen Heimat, in Richmond in Virginia, arbeitete er seitdem als Volunteer im dortigen Holocaust-Museum, zugleich der Mittelpunkt der dortigen jüdischen Gemeinde.

Inzwischen heißt die städtische Realschule ihm zu Ehren Alexander-Lebenstein-Realschule (Fotos vom Festakt der Namensgebung). Und in den USA wird die städtische Ehrenbürgerschaft Alexander Lebensteins wohlwollend kommentiert. Die Stadt Haltern arbeitet die Deportation ihrer jüdischen Mitbürger mit Stolpersteinen auf.

Immer wieder fanden Briefwechsel zwischen ihm und den Schülern der Realschule statt. 2003 wurde das Waggon-Projekt als „Ort gegen das Vergessen“ auf dem Schulgelände errichtet und Alexander Lebenstein nahm mit seinem Sohn David und seinem Enkel Adam an der Eröffnungsfeier teil. Der Waggon kann auch heute noch besichtigt werden.

Die Waggon-AG mit dem Lebenslauf Alexander Lebensteins. Interview zum Lebenslauf vom Auslandsdienst.

Gestern fand eine Feier zum Holocaust-Gedenktag statt an der eigentlich Alexander Lebenstein hätte teilnehmen wollen. Die Stadt Haltern am See ist dem Riga-Komitee beigetreten, das das Schicksal von über 25.000 deutschen Juden aufklären und daran erinnern möchte, die nach Riga deportiert und größtenteils dort im Wald von Bikernieke ermordet wurden. Die Schüler haben eine Ausstellung über die „Gerechten unter den Völkern“ vorbereitet. Alexander Lebenstein wollte dabei sein wenn dieser Festakt stattfand, leider wurde er krank und sagte die Reise ab. Während des Festaktes sprach der Bürgermeister noch die Genesungswünsche der ganzen Stadt für ihren Ehrenbürger aus.

Halterner Zeitung zum Beitritt ins Riga-Komitee, Beitrittsfeier.

Alexander Lebenstein starb heute im Alter von 82 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in Richmond.

alaw ha-schalom

WAZ zum Tode von Alexander Lebenstein.


Eine Antwort

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