BGH – DB Regio – VRR – Abellio

BGH in Karlsruhe, Bild von Tobias Helfrich, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 3.0

BGH in Karlsruhe, Bild von Tobias Helfrich, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 3.0

So ganz blicke ich noch nicht durch beim Entscheid des Bundesgerichtshofes in Sachen Nachprüfungsverfahren bei der Vergabe von S-Bahn-Leistungen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Siehe dazu die für mich als Laien nur schwer verständliche BGH-Pressemitteilung. Es geht im Prinzip um das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und einen langjährigen Streit zwischen den Beteiligten.

Ich versuche es mal chronologisch und verweise auf die dort und unten genannten Links, es ist auf jeden Fall spannend und wird langfristig Auswirkungen haben auf alle Pendler im Ruhrpott:

  • VRR ist ein Verbund, Bild von Marc Schuelper, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 2.5

    VRR ist ein Verkehrsverbund, Bild von Marc Schuelper, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 2.5

    2004 hatten der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und die DB Regio (DB) einen Vertrag über die Schienenleistungen (RE, RB und S-Bahn-Leistungen) im VRR-Gebiet abgeschlossen.

  • Die RE- und RB-Geschichten sollten nach und nach im Wettbewerb ausgeschrieben werden (muss wohl so nach EU-Recht), die S-Bahn-Sachen aber bei der DB bleiben (war also schon eine Direktvergabe).
  • Im Gegenzug verpflichtete sich die DB ihren Fahrzeugpark zu erneuern und andere Verbesserungen durchzuführen (zum Beispiel Sicherheitsleute in einer bestimmten Prozentzahl insbesondere der Abend- und Nachtzüge einzusetzen).
  • Finanziert wird der ganze Spaß einerseits durch die verkauften Fahrscheine und anderseits durch Mittel des Landes NRW.
S4, Haltepunkt Möllerbrücke, Dortmund, Bild von Mathias Bigge, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 3.0

S4, Haltepunkt Möllerbrücke, Dortmund, Bild von Mathias Bigge, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 3.0

In den Folgejahren nahmen die Dinge ihren Lauf: RE-/RB-Stecken wurden ausgeschrieben und anderweitig vergeben, Landesmittel wurden gekürzt und die Klausel zur Vertragsanpassung genutzt, Sicherheitsleute in den Abendzügen leider kaum gesichtet, neu gekaufte Fahrzeuge zunächst an andere Gegenden verliehen. 

Kurz und gut: die Beteiligten stritten sich heftig.

  • 2008 kündigte der VRR den Vertrag fristlos und fror Gelder auf einem Sperrkonto ein (zurückgehaltenes Geld für Schlecht- und Nichtleistungen in Höhe von 112 Mio Euro, siehe Juve). Die DB klagte dagegen erfolgreich vor der ersten Instanz, dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.
  • Bevor das dann durch alle Instanzen ging gab es außergerichtliche Vergleichsverhandlungen unter Vermittlung des damaligen Landesverkehrsministers Oliver Wittke (CDU).
  • Ergebnis zwei Jahre später: Vertragsverlängerung für die S1-S11 um fünf Jahre bis 2023 und weitere Neuanschaffungen bei den Fahrzeugen, der VRR durfte die zurückgehaltenen Gelder teilweise behalten und investierte dafür in die Züge, die DB beteiligte sich am jährlichen Defizit (entstanden aus den Kürzungen der Landesmittel) mittels monatlichen Nachlässen, siehe Juve.
Streckennetz Abellio 2007, Zeichnung von Knut Rosenthal, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 3.0

Streckennetz Abellio 2007, Zeichnung von Knut Rosenthal, Wikipedia, Lizenz: cc-by-sa 3.0

Nun kommt Abellio Rail NRW (Abellio) an und sagt: So geht datt nich! Die hatten sich Chancen für S-Bahn-Strecken im Ruhrgebiet ausgerechnet (vor allem S5) wenn diese frei vergeben würden.

  • Zack, Einspruch! oder besser gesagt ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Prompt bekamen die Recht, und zwar bei der Vergabekammer der Bezirksregierung Münster.
  • Dagegen klagte wiederum der VRR vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf. Die hätten eigentlich auch für die Abellio entschieden wenn es da nich ein weiteres ähnliches Urteil eines anderen Gerichtes gegeben hätte watt andersum entschieden hat.

In so einem Falle wird der BGH angerufen, er soll dann grundlegend entscheiden. Was er hiermit auch getan hat. Allerdings wie immer nich so einfach zu verstehen:

  • Er hat dem neueren, allgemeineren Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Vorrang vor dem älteren, speziellerem (Allgemeinen Eisenbahngesetz) gegeben – sonst wäre nämlich so ein Nachprüfungsverfahren gar nicht zulässig gewesen)
  • Er hat darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Dienstleistungskonzession (Unternehmensrisiko liegt beim Konzessionär) sondern um eine Dienstleistungsauftrag (Finanzierung größtenteils gesichert durch Landesmittel) handelt. Eine Konzession wäre nämlich vom Vergaberecht ausgenommen gewesen.
  • Er hat Abellio zugelassen weil die „den Vertragsschluss rechtzeitig vor der Vergabekammer beanstandet hatte“ (zeigt sich wieder das man alles pünktlich machen muss auch im Bahngeschäft;-)
  • Und er hat gesagt, das die möglichen Ausnahmen von der Vergabepraxis per Ausschreibung durch die erste Direktvergabe 2004 schon ausgeshöpft waren, also nicht mehr angewandt werden durfte.

Na, insgesamt eine volle Breitseite, oder?

Was die Zeit jetzt zeigen muss: Wie geht es weiter?

  • Gilt jetzt der Vertrag von 2004 wieder oder wird darüber weiter vor Gericht gestritten?
  • Welche Auswirkungen hat das jetzt auf die Pendler? In diesem Jahr? In 10 Jahren?

Zum guten Schluss gilt wie immer: keine Panik! Es wird jetzt nicht schnell was stillgelegt, die alten Züge wieder ausgebuddelt oder ein Notfallfahrplan aufgestellt, siehe auch die Hinweise von zughalt.de. Der VRR ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, was ein gewisses Weisungsrecht beinhaltet. unter dieser Vorgabe fuhren nach der Vertragskündigung damals auch die Züge der DB weiter (obwohl es ja gar keinen Vertrag mehr gab). Und alle Beteiligten beteuern ja auch das datt alles gar nicht so schlimm wird oder grundsätzlich zu begrüßen ist von wegen Wettbewerb.

Noch ein paar Links zum Schluss: